Statement zu laufenden Awareness-Prozessen

Seit einigen Jahren hat die Thematisierung und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in Punk- und DIY-Musikszenen stetig zugenommen. Auch wir als Freiraum Dachau wurden immer öfter auf gewaltvolles Verhalten ausgehend von Besucher_innen und Bandmitgliedern hingewiesen. Da uns die berechtigte Kritik erreicht hat, mit diesen Vorgängen nicht transparent umzugehen, wollen wir nun Einblick in laufende Awareness-Prozesse liefern und uns zu einem aktuellen Fall positionieren, in dem es um die Gewalt eines Kollektivmitglieds geht.

Es gibt konkrete Vorwürfe gegen ein langjährig aktives Mitglied des Freiraum Dachau, welches zeitgleich auch mit seinen Bands immer wieder auf unserer Bühne stand. Dabei geht es um grenzüberschreitendes Verhalten und sexualisierte Gewalt gegenüber FLINTA Personen, über einen längeren Zeitraum hinweg. Wir haben durch Betroffene und solidarische Menschen davon erfahren, und teilweise auch durch Geständnisse des Täters selbst. Dass die uns bekannten Situationen schon einige Jahre zurück liegen, macht die geschehene Gewalt nicht ungeschehen. Sie muss vom Täter aufgearbeitet werden, unter Rücksicht auf die Betroffenen, und das ist leider nicht ausreichend geschehen.

Deshalb, und auch auf Wunsch von Betroffenen, haben wir dem Täter bis auf weiteres untersagt, den Freiraum als Veranstalter zu vertreten oder als Musiker auf unserer Bühne stehen.


Einzige Ausnahme bildet das von ihm mitorganisierte „kritische MännlichkeitsCafe“. Dabei handelt es sich nicht um eine Rehablitationsmaßnahme, sondern um den Versuch, auch strukturell an den Ursachen sexistischer Gewalt anzusetzen. Der Austausch mit unserem Plenum ist dabei fester Bestandteil.

Von einem Hausverbot – und einem öffentlichen Outcall – sehen wir auch deshalb ab, da wir nach jetzigem Stand der Auseinandersetzung den Eindruck haben, dass nicht die Gefahr neuer Gewalt seinerseits besteht. Das entspricht unseren Regeln für Hausverbote, für ihn gilt dabei keine Bevorzugung als Kollektivmitglied. Sollten sich Besucher_innen auf einer Veranstaltung mit seiner Anwesenheit unwohl fühlen, wird sich das Awareness-Team an deren Seite stellen und ihn gegebenenfalls hinausbitten. Die Verantwortung für die Aufarbeitung, auch innerhalb der Punk-Szene, liegt weiterhin bei dem Täter. Den Freiraum kann er erst wieder vertreten, wenn er es schafft, die Verantwortung für seine Gewalt zu übernehmen und sie nach den Wünschen von Betroffenen aufzuarbeiten.


Seit langem arbeiten insbesondere Frauen und Queers in unserer Szene kontinuierlich daran, dass Übergriffe nicht von Einzelnen toleriert und weggesteckt werden müssen. Inzwischen gibt es in unserem Kollektiv zumindest auf dem Papier den Konsens: Sexismus geht alle etwas an. Das war lange überfällig, denn diese Gewalt ist immer da gewesen, auch im Freiraum Dachau. Die praktische Arbeit gegen Sexismus stößt aber immer wieder auf Probleme und Barrieren, sodass wir unseren Werten noch nicht gerecht werden.

Für Gewalt, die sich auf unseren Veranstaltungen ereignet, hat der Freiraum ab 2019 ein Awarenesskonzept erarbeitet, um Besucher_innen besser zu schützen. Dazu gehört die Verpflichtung für alle Veranstalter_innen, ein Awareness-Team als Ansprechpunkt für Betroffene von übergriffigem Verhalten aufzustellen. Noch immer passiert Gewalt auf unseren Konzerten und Partys, nicht immer kriegen wir das mit. Wir müssen unseren Umgang damit noch verbessern.

Für die Aufarbeitung von Gewalt, die über einzelne Veranstaltungen hinausgeht, hat sich unser Awarenesskonzept als unzureichend erwiesen. Als Folge konnte der Freiraum nicht schnell und öffentlich genug auf Outcalls reagieren. Auch der Fall, dass es sich beim Täter um ein Kollektivmitglied handelt, ist neu für uns und hat uns an Grenzen gebracht. Der Prozess ist innerhalb des Kollektivs noch nicht abgeschlossen, auch weitere Schritte und Konsequenzen gegenüber dem Täter sind möglich. Wir wollen damit transparent umgehen. Für Kritik, Rückmeldungen und Fragen sind wir per E-Mail erreichbar. Unser Plenum ist ebenfalls öffentlich.

Wir wollen den Freiraum zu einem möglichst sicheren Ort machen. Wir stellen uns entschlossen an die Seite von Betroffenen von Gewalt. Dazu gehört auch, die Gewalt ernst zu nehmen, die seit Bestehen des Freiraums hier geschehen ist. Wir fordern jede_n dazu auf, sich mit dem eigenen Sexismus auseinanderzusetzen. Kein Täterschutz für Freund_innen und Kollektivmitglieder! Supportet Betroffene von Übergriffen und passt aufeinander auf!